Mitte November 2021 entschließen wir uns schweren Herzens, aber guten Gewissens, die Begegnungsstätte pandemiebedingt zu schließen. Vorerst. Wann wieder geöffnet wird, bleibt bis heute offen.
Und das ausgerechnet im Advent, zu Beginn der Wichtelwerkstatt und all den gemütlichen kleinen Heimlichkeiten, die auch Erwachsenen das Herz erwärmen. Und der Zeit des Weihnachtszaubers – der Zeit, die am Ende des Jahres alle ein wenig mehr zusammenrücken lässt und in der der kleine und große Frieden zumindest spürbar ist.
Enttäuschung breitet sich aus – kein Plätzchen backen, kein Räucherkerzenduft, kein gemeinsamer Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Vorfreude – schönste Freude scheint erst mal abgeschrieben.
Erwartungen und Hoffnung auf Begegnung brechen zusammen. Die große Blase Einsamkeit, vor allem für alleinstehende ältere Menschen schwebt heran.
Nein, so wollen wir das nicht. Die Kontaktbeschränkungen und die Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung außer Acht lassen und somit sehenden Auges in die Gefährdung tappen, aber allerdings auch nicht.
Also planen und strukturieren wir um, stricken aus gedanklichen Lametta Fäden ein kleines coronakonformes Weihnachtsprogramm für den Stadtteil.
Die „Lichte(r) Fichte„
Da es im Weihnachtsbaumverkauf nur kleine Fichten gibt, ist unsere – gespendet durch den hiesigen Bau- und Gartenmarkt „Leitermann“ – eigentlich eine Nordmanntanne.
Aufgestellt vor dem „Mehrgenerationenhaus“ der AWO Altenburger Land, lädt das Bäumchen alle Kinder und Familien im Stadtteil dazu ein, es mit Glitzerkram und glänzendem Schmuck zum „Leuchten“ zu bringen. Strahlen soll die „Lichte Fichte“ und somit nicht nur sich selbst schön geschmückt präsentieren, sondern in den Augen und Herzen der Menschen ihren Glanz widerspiegeln können.
Schon unmittelbar nach dem Aufstellen entdecken wir die ersten glitzernden „Unikate“ und sogar ein Stern prangt auf der Spitze.
Wie schön! Dem Aufruf zur Beteiligung an dieser Aktion folgen viele kleine und große Leute und schon bald leuchtet und funkelt es tatsächlich im abendlichen Altenburg Nord, sodass es allen ein bisschen mehr weihnachtlich ums Herz wird.
Advent auf Rädern
Wie gut, dass wir die mobilen Werkbänke haben und wie praktisch, dass sie so flexibel einsetzbar sind!
Lichterketten sind schnell angebracht, Kaffee und Weihnachtspunsch gekocht und in Thermoskannen gefüllt. Bestückt mit selbstgemachter Weihnachtsdeko und Adventsgestecken rollen wir wieder einmal durch das Neubaugebiet. Das Wetter meint es nicht ganz so gut mit uns, es regnet und wir sind bald durchnässt – trotzdem ziehen wir weiter, schließlich wollen wir etwas „Weihnachtsstimmung“ auf der Straße und den Plätzen verbreiten. Und so kommen wir über dampfenden Punschbechern ins Gespräch – mit Kindern, Eltern und Großeltern, Erzieher*innen der Kindertagesstätte und Jugendlichen.
Von letzteren werden wir verblüfft – beziehungsweise erfahren wir, dass auch in unseren Köpfen trotz aller vermeintlicher Weltoffenheit bestimmte Bilder festgelegt sind.
Zwei Schüler im Alter von 16 Jahren machen bei uns Halt und nehmen sich Zeit für Punsch und Unterhaltung. Auf unsere Frage „was heute Nachmittag noch so geht“ erzählen sie uns, dass sie gemeinsam Plätzchen backen mit selbstgemachten Teig und so weiter.
„So viel Heimlichkeit…“ also auch hier – wir korrigieren unsere Vorstellung der bildschirmabhängigen Jugend und freuen uns über unseren Blick über den Becherrand.
Weihnachtspost für Senior*innen
Bunte Briefumschläge in rot, grün, gold und silber, sorgsam beschriftet und mitunter mit weihnachtlichen Motiven bemalt. Diese Post strahlt schon durch ihre Gestaltung Wärme aus. Ihr Inhalt umso mehr.
Schüler*innen des Christlichen Spalatin Gymnasiums verfassen im Religionsunterricht von Pfarrer Felix Kalder persönliche Briefe an die Besucher*innen der aktuell geschlossenen Begegnungsstätte. Manche sogar in Sütterlin geschrieben!
Verteilt wird die Post bei einem spontanen Treffen zu Glühwein und Lagerfeuer im Garten der Begegnungsstätte und froh entgegengenommen. Bei einigen Empfänger*innen dürfen wir beim Öffnen der Briefe einen Blick über die Schulter werfen. Wir staunen über die Herzlichkeit und Form, über die Wahl der Worte und sind berührt von den Geschichten, die mitunter darin formuliert werden.
Balkon – Chor
Sie gehören im Advent auf jeden Fall dazu, die Weihnachtslieder. Ob klassisch, modern, DDR nostalgisch oder Xmas Rock – stimmungsvolle Weihnachtsmusik soll in der Plattenbau-Siedlung nicht fehlen.
Da das gemeinsame Singen in der Öffentlichkeit und zu Veranstaltungen aktuell erschwerten Bedingungen unterworfen ist, braucht es auch hier neue und andere Wege.
Rebecca Klukas, Leiterin des Altenburger Gospel Chors ist gerne spontan und unkompliziert bereit, diese mit uns zu gehen.
Per Postwurfsendung eingeladen, stehen so am Freitagabend vor dem 4. Advent viele Anwohnende auf ihren Balkonen oder schauen aus dem Fenster und bekommen ein erstklassiges Adventskonzert geboten. Bekannte Lieder schallen zu gitarrenverstärkten Klängen durch das Neubaugebiet – natürlich zum Mitsingen!
„Oh Tannenbaum“, „Stille Nacht, Heilige Nacht“, „Sind die Lichter angezündet“ – da ist für jedes Ohr etwas dabei und wir entdecken bei „Feliz Navidad“ sogar einen überaus engagierten Tänzer.
Was für ein schönes Bild – die lichtgeschmückten Fenster und Balkone und überall Menschen, die sich heute einmal auf ganz andere Art und Weise begegnen, Gemeinschaft trotz Einschränkungen erleben, verbunden durch Musik und Gesang.
Gemeinsame Erlebnisse, der Besuch von Veranstaltungen, persönliche Gespräche, einfach mal das eigene Nest verlassen und etwas Anderes sehen – all diese Dinge gehen im Moment nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen, die mit Aufwand und dem Investieren von Zeit und Energie verbunden sind.
Daher war und ist es uns umso wichtiger, Möglichkeiten und Nischen zu schaffen, in denen das Bedürfnis nach Nähe und Begegnung sowie die Maßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion gleichermaßen Beachtung finden können. Besonders in der Weihnachtszeit, die ja nicht mit den Feiertagen endet.
Für ThINKA Altenburg Nord hat sich – gemessen an der großen positiven Resonanz – gezeigt, dass es gut ist, sich Sachen zu überlegen, die gehen, wenn eigentlich nichts geht.
Wunderkerzen, im „Freien“ und nicht nur im eigenen Stübchen angezündet, versprühen ihre Funken nämlich viel weiter und heller.
„Weihnachten im Neubaugebiet“ – 2021 gänzlich anders als gewohnt – aber gut!
Bringt euer Licht nach draußen!